Für viele ist das Eigenheim ein lang ersehnter Lebenstraum. Doch lässt sich dieser angesichts der gestiegenen Zinsen noch verwirklichen? Und wenn ja: welche Summe darf auf dem Preisschild stehen?
Familie Beispiel lebt in einer schönen Wohnung in der Frankfurter Innenstadt. Seit der Geburt ihres zweiten Kindes vergangenen Jahres, verspüren Melanie und Tobias den Wunsch, in einen Vorort zu ziehen, wo es etwas ruhiger zugeht und gemeinsame Familienausflüge in die Natur einfacher umzusetzen sind.
In den letzten Jahren konnte sich die kleine Familie durch Melanies gut bezahlte Führungsposition in einem IT-Consulting-Unternehmen und Tobias‘ Erbe ein gemeinsames Vermögen in Höhe von 180.000 Euro aufbauen. Von diesem Kapital sollen 150.000 Euro als Eigenkapital in die Immobilie fließen, während die restlichen 30.000 Euro als Rücklage auf dem Tagesgeldkonto verbleiben.
Aktuell bezahlt die Familie pro Monat 1.600 Euro Kaltmiete, welche planmäßig mit dem Umzug ins Eigenheim entfallen würden. Darüber hinaus können weitere 600 Euro monatlich für die Finanzierung der Immobilie beigesteuert werden, da diese nicht zwingend für die Altersvorsorge benötigt werden. Somit ergibt sich eine maximale monatliche Gesamtrate in Höhe von 2.200 Euro.
Nach einem Blick in die gängigen Onlineimmobilienportale konnten sich Melanie und Tobias bereits einen guten ersten Eindruck des aktuellen Angebots verschaffen. Sie sind sich jedoch unsicher darüber, in welcher Preiskategorie sie sich näher umschauen können.
Über welches Finanzierungsbudget verfüge ich?
Das Finanzierungsbudget gibt an welches Kreditvolumen Sie für die gegebenen Konditionen von Ihrer Bank erhalten würden. Wichtig ist jedoch, dieses nicht mit dem maximalen Kaufpreis der Immobilie gleichzusetzen! Denn der Erwerb einer Immobilie geht mit weiteren Kosten einher, die im ersten Schritt oft vergessen werden:
· Sicherheitspuffer für Unvorhergesehenes (ca. 5%)
· Notar & Grundbucheintrag (ca. 1,5%)
· Grunderwerbsteuer (bis zu 6%)
· Maklercourtage
· Modernisierungskosten
Diese müssen in der absoluten Höhe entsprechend kalkuliert und vom Finanzierungsbudget abgezogen werden. Dieses wiederrum berechnet sich wie folgt:
Das Ergebnis dieser Formel dient als erste Orientierung. Im weiteren Verlauf des Immobilienerwerbs ist eine individuelle Beratung hinsichtlich des genauen Budgets und den Konditionen Ihrer Baufinanzierung unerlässlich.
Bei einer ersten Beratung vor einiger Zeit hatte die Bankberaterin der jungen Familie einen Zins von etwa 1,5% p.a. für ein Darlehen mit 10 Jahren Zinsbindung anbieten können. Die Tilgung hatten sie mit 2% angenommen.
Gemäß der obigen Formel ergibt sich das folgende Finanzierungsbudget:
Heute steht der Zins für das Darlehen mit 10 Jahren Zinsbindung bei 4% p.a. Damit ergibt sich ein neues Finanzierungsbudget von:
Durch die Zinserhöhung der letzten Monate hat sich das Finanzierungsbudget also beinahe halbiert.
Sind die Immobilienpreise in den letzten Monaten im gleichen Maße günstiger geworden?
Laut Immobilienscout24 steigen die Immobilienpreise für Häuser in der Region Frankfurt seit 2019 kontinuierlich. Seit Q3 2021 ist ein Anstieg von 5,5% zu verzeichnen, sodass man bei einem durchschnittlichen Kaufpreis von 6.133 €/m² liegt.
Die Frage in der Überschrift hinsichtlich sinkender Immobilienpreise lässt sich also mit einem direkten „Nein“ beantworten. Jedoch muss gesagt werden, dass der Immobilienmarkt träge ist: es braucht eine gewisse Zeit bis sich Verkäufer an die neuen Preise bedingt durch die geringere Kaufkraft seitens der Nachfrageseite aufgrund der Zinssteigerung gewöhnen. Dies hängt vermutlich auch mit dem sogenannten „Endowment effect“ zusammen, welcher besagt, dass die Tendenz besteht, ein Gut, welches man besitzt, wertvoller einzuschätzen.
Wann die Korrektur der Immobilienpreise, nach einer langen Phase der Niedrigzinspolitik, nun stattfindet, ist abzuwarten. Unseren Beobachtungen zu Folge sind erste Preisrückgänge inzwischen jedoch spürbar geworden. Das bestätigen auch Gespräche mit verschiedenen Maklern und Bauträgern.
Was bedeutet das jetzt für Familie Beispiel?
Im Vergleich zu einer Finanzierung am Jahresanfang kann die kleine Familie heute einen Kredit mit einem um 314-tausend Euro geringeren Volumen erhalten. Ob sie mit diesem Budget sich das Eigenheim aus ihren Träumen finanzieren kann, Abstriche machen muss oder in Frankfurt wohnen bleibt, gilt es nun familienintern zu besprechen. Vielleicht heißt die Device auch einfach erstmal „abwarten“, bis die Korrektur der Immobilienpreise sichtbar wird und sich ein neues Gleichgewicht gefunden hat.
Die beispielhafte Berechnung zeigt also, wie sensibel das Finanzierungsbudget auf Zinsänderung reagiert. Es gilt daher die Konditionen der verschiedenen Finanzierungspartner sorgfältig zu vergleichen und somit das beste Angebot für Ihre individuelle Situation zu ermitteln.
Unabhängig davon sollte sich die Familie im Rahmen einer individuellen Finanzplanung die langfristigen Folgen des Immobilienerwerbs bewusst machen und abgleichen, ob dadurch ein Konflikt zwischen verschiedenen Zielsetzungen (Urlaube, vorgezogener Ruhestand, …) entsteht. Welche Folgen hat die Baufinanzierung auf die Vermögensstruktur und welche Risiken gilt es abzusichern? Diese Fragen können in einer vorgestuften Finanzplanung im Rahmen der Herleitung einer allgemeinen Handlungsstrategie beantwortet werden.
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